Am Mittagstisch war es heute ausergewöhnlich ruhig. Mama sah ihre Mädchen mit prüfendem Blick an. „Was war denn heute in der Schule los?“, versuchte sie es direkt. Weder Lea noch Mia wollten den Blick von ihren Tellern heben. Sie stocherten beide lustlos in ihrem Essen. Die Mädchen überschlugen sich normalerweise bei Erzählungen von ihrem Schultag. Bei dieser Stille musste etwas im Busch sein. Mama wechselte ihre Taktik. „Bei mir im Geschäft ist heute etwas passiert!“, fing sie an zu erzählen. “ Wir haben doch so ganz grosse, schwere Paletten. Diese müssen immer wieder von einer zur anderen Arbeitsstation gefahren werden und da hat heute Barbara im Eifer des Gefechts, die schwere Palette auf dem Fuss von Karoline abgestellt. Der Krankenwagen musste kommen und sie ins Krankenhaus fahren.“ Mama sah erwartungsvoll zu ihren Mädchen. Aber es kam kein Kommentar. Mama wurde etwas sauer. Sie versuchte ruhig zu bleiben, atmete tief durch und bat Lea und Mia:“ Erzählt ihr mir bitte was euch so betrübt?“ Mia sah von ihrem Teller auf zu Ihrer Schwester. Lea seufzte. „Mama, warum sind Menschen gemein zu einander?“ Jetzt war guter Rat teuer. „Wer war zu wem gemein?“ Und dann fing Lea an zu erzählen. Wie die Kinder aus ihrer Parallelklasse, das neue Mädchen schikanierten, weil sie keine hochmoderne Kleidung trägt, ihr Schulranzen eine Baumwolltasche ist und sie aufgrund offensichtlichen Mangel an Geld nicht auf den Ausflug mit konnte und zu Hause bleiben musste. Auch wie Lea versucht hatte, sie vor ein paar Tage auf dem Spielplatz zum Spielen aufzufordern, das Mädchen aber total verängstigt davon lief. „Oh je, das ist natürlich nicht sehr schön.“ Mama schickte die Mädels erst einmal an ihre Hausaufgaben. Sie musste ihre Gedanken sammeln. Das Mädchen tat ihr sehr leid. Als die Kinder am Abend auf dem Weg in ihre Betten waren, rief Mama Lea nochmal zu sich. „Du möchtest dem Mädchen gern hefen oder?“ Lea nickte betrübt. „Du hast doch noch den doppelten Rucksack von deinem Geburtstag, was hälst du davon wenn du morgen das Mädchen fragst, ob es nach den Hausaufgaben zu uns kommen möchte und du kannst ihr den dann schenken? Vielleichten haben wir auch noch ein paar Kleidungsstücke, die wir ihr geben können?“ Lea’s Augen fingen an zu strahlen und sie war sehr begeistert von der Idee.
Doch am nächsten Tag kam sie ,Tränen überströmt, nach Hause. Sie schluchzte so sehr, das Mama das Essen vom Herd nehmen musste, damit es nicht anbrannte und sie Lea beruhigen konnte. „Mama, es war so schlimm heute. Die Kinder aus der Klasse des Mädchen, bewarfen es mit Schlamm und sangen dabei immer wieder ein selbsterfundenes Lied in dem sie richtig gemeine Wörter benutzen. Ich wollte dazwischen gehen, aber Amelia hat mich zurückgehalten, weil sie nicht wollte das die Kinder das mit mir machten. Nicht einmal die Lehrer haben eingegriffen.“ Das ging Mama nun doch zu weit. Sie schnappte sich das Telefon und rief die Klassenlehrerin von Lea an. Sie sprachen lange darüber wie sie dem Kind helfen könnten. Mama schickte Lea derweil in ihr Zimmer um den Rucksack zu suchen und ein paar Kleidungsstücke mit einzupacken. Auch Mia wollte etwas tun und packte eins ihrer vielen Kuscheltiere oben auf. Mama war sehr stolz auf ihre Mädchen. Am Abend als Lea und Mia schon im Bett waren, rief die Klassenlehrerin noch einmal an. Sie hatte für morgen nach Schulschluss, alle Eltern der Parallelklasse einbestellt und bei allen Eltern der Klasse von Lea zu einer Spende aufgerufen. Die Eltern trafen sich pünktlich um 12 auf dem Schulhof. Auf der einen Seite die Spendereltern und auf der anderen Seite die Eltern der Kinder aus der Parallelklasse. Dann trat die Klassenlehrerinvon Lea mit Ihrer Klasse sowie der Parallelklasse aus dem Gebäude und bat um Ruhe. Sie fing an zu erzählen, wie die Kinder das Mädchen schikanierten und sie erzählte auch wie Mama bei Ihr angerufen hatte, an dem Tag zuvor. Die Eltern der Kinder aus der Parallelklasse waren schockiert über das Tun ihrer Sprösslingen. In der Zwischenzeit lief Lea zu Mama um den Rucksack mit den Sachen für das Mädchen zu holen. Das Mädchen selber stand sehr ungläubig etwas abseits des Geschehens. Sie hielt Ausschau nach ihrem Vater. Sollte nun wirklich alles besser werden? Vor einem halben Jahr starb ihre Mutter an einen schweren Krankheit und ihr Vater hatte dadurch seine Arbeit verloren. Auch dies erzählte die Lehrerin. Auf dem Schulhof konnte man eine Stecknadel fallen hören. Manche Mama’s kullerten die Tränen und auch die Kinder bemerkten, was sie da schreckliches getan hatten. Dann durfte Lea vortreten und erklärte dem Mädchen:“ Ich habe hier für dich einen Rucksack, der ein paar Kleidungsstücke für dich enthält und eins der Kuscheltiere von meiner Schwester. Sie sagte, es solle dich beschützen vor allem Bösen.“ Dem Mädchen liefen Tränen vor Freude die Wange herunter. Sie nahm Lea aus Dankbarkeit in den Arm. Auch ihr Vater war sehr gerührt und dankbar. Unter den Spenden war auch ein richtiger Schulranzen. Die beiden wussten nicht wie ihnen geschah.
Als die Mädchen am nächsten Tag von der Schule kamen, erzählten sie, wie toll sie in der Pause mit dem Mädchen gespielt hatten und fragten ob sie sie am nächsten Tag zum spielen nach Hause einladen durften. Ein „Nein“ kam da natürlich nicht in Frage. Auch erfuhr Mama, das der Vater ab nächste Woche eine neue Arbeitsstelle hatte. Mama war sehr stolz auf ihr grosses Mädchen, das eindeutig zu schnell gross wurde.